Sla Casper



28 Augustus 1926 - 24 December 2018



Ein holländischer Zwangsarbeiter beim Bau der Eisenbahnstrecke Feldkirchen - Zorneding


sla casper

 

Im Jahr 2016 erhielt ich eine Anfrage des Vereins "die Eisenbahnfreunde" aus Vaterstetten bei München, ob noch niederländische Zwangsarbeiter leben, die, während des Krieges, an der Bahnstrecke Feldkirchen - Zorneding gearbeitet haben.

Die Eisenbahnfreunde wollten eine Gedenkstätte für die niederländischen Zwangsarbeiter einrichten, die 1944 und 1945 unter miserablen Bedingungen an der genannten Bahnstrecke arbeiten mussten. In Vaterstetten stellten sie einen Eisenbahnwaggon auf, der fast identisch mit den Eisenbahnwaggons war, in denen die Zwangsarbeiter schlafen und leben mussten. Der Waggon enthielt eine Fülle von Informationen über diese Niederländer und ihre Arbeit, in Form von Fotos, Dokumenten, Karten und vielem mehr.

Ich fand bald einen sehr alten, aber geistig sehr fitten Herrn Casper Sla in Schiedam.

Er konnte mir sehr viel über seine Arbeit an der Strecke in Feldkirchen erzählen.

Die Installation des Eisenbahnwaggons ist nun Realität, und man hofft, die Gedenkstätte Anfang 2023 offiziell einweihen zu können.


Casper Sla gehörte zu einer Familie mit 11 Kindern.

 

Er hat sein ganzes Leben in Schiedam / Niederlande gewohnt, musste allerdings dreimal seine Heimat verlassen.

 

Das erste Mal war er beim Arbeitsdienst bei einem Bauern in Leersum, das zweite Mal war er Zwangsarbeiter unter anderem in Feldkirchen und das dritte Mal war er Wehrpflichtiger in Niederländisch-Indien (Indonesien).

 

Als er 14 Jahre alt war, sah er am 14. Mai 1940, stehend auf dem Dach seines Elternhauses, die Bomben auf Rotterdam fallen.

 

Am 10. November 1944, als er 18 Jahre alt war, wurde er bei einer Razzia auf dem Deich zwischen Rotterdam und Schiedam von der SS mitgenommen.

 

Er hatte keine Gelegenheit gehabt, um seine Eltern von seiner Abreise zu benachrichtigen.

 

Unten stehendes Schriftstück wurde am 10.November 1944 von den Deutschen in Schiedam verteilt, auf dem man folgendes lesen konnte:

 

 

 

 

 

BEFEHL

 

 

„Auf Befehl der deutschen Wehrmacht müssen sich alle Männer im Alter von 17

bis 40 Jahren zum Arbeitseinsatz melden.

ALLE Männer in diesem Alter müssen sich sofort nach Empfang dieses Befehls mit der beschriebenen Ausrüstung auf die Straße stellen.

Alle Frauen und Kinder müssen in ihrer Wohnung bleiben, bis die Aktion zu Ende ist. Männer im genannten Alter, die bei einer Hausdurchsuchung in der Wohnung angetroffen werden, werden bestraft. Wobei ihr privates Eigentum eingezogen wird.

Freistellungsbeweise von bürgerlichen oder militärischen Instanzen müssen zur Kontrolle

mitgebracht werden. Auch die Personen, die solche Beweise besitzen, sind verpflichtet sich auf die

Straße zu stellen.

Es sollte mitgebracht werden: warme Kleidung, feste Schuhe, Decken,

Regenschutz, Besteck (Messer, Gabel, Löffel), Trinkbecher und Brotzeit für einen Tag.

Mitgebrachte Räder bleiben im Besitz der Eigentümer.

Die tägliche Verköstigung besteht aus gutem Essen, Rauchwaren und

5 Gulden. Für den Rest der Familie wird gesorgt.

Es ist für alle Bewohner der Gemeinde verboten, den Wohnort zu verlassen.

Auf diejenigen, die versuchen zu flüchten oder Widerstand leisten, wird geschossen“.

 

 

Casper Sla wurde, mit vielen Anderen, mit einem Lastkahn nach Amsterdam transportiert.

Unter ihnen waren 7 Jungen der Schule, in der auch Casper Sla Schüler war.

 

Sla C.


 

In Amsterdam blieb man einen Tag und dann sind sie übers IJsselmeer nach Kampen transportiert worden. Unterwegs wurde das Schiff von englischen Kampfflugzeugen beschossen. Die Luken des Schiffes blieben deshalb geschlossen.

 

Als sie in Kampen ankamen gab es einen Schneesturm. Kampen war aber noch nicht das Ende der Reise. Sie mussten, während des Schneesturms, noch 4 Stunden nach Wezep laufen, wo es eine Kaserne gab, in dem sie einige Tage eingesperrt wurden.

 

Leute, die versuchten zu fliehen wurden sofort erschossen und sie wurden beim Eingang und Ausgang der Kaserne niedergelegt als Warnung, so, dass alle sehen konnten was die Konsequenzen waren wenn man versuchte zu fliehen.

 

Nach drei Tagen mussten sie in einen Zug steigen und die Zugabteile wurden verschlossen, so dass keiner fliehen konnte. Als der Zug dann abfahren wollte, wurde er von englischen Kampfflugzeugen angegriffen, und man konnte aus den Zugabteilen (schon damals ein altmodischer Personenzug) nicht fliehen, weil die Deutschen die Türen verriegelt hatten. Zum Glück wurde nichts und niemanden getroffen.

 

Während der Fahrt des Zuges haben manche Leute noch versucht zu fliehen, wenn der Zug etwas langsamer fuhr. Auch Casper Sla hat versucht zu fliehen, aber hinten in den Waggons saßen SS-Männer, um den Zug zu bewachen. Und wenn die sahen, dass einer versuchte zu fliehen, schossen die sofort. Also hat Casper Sla das nicht versucht.

 

Die Reise dauerte sehr lange, weil das Eisenbahnnetz in Deutschland nicht mehr optimal war. Bei Bad Zwischenahn prallte der Zug, in dem sich 1500 Menschen befanden, auf einen stehenden Güterzug.

 

Eine deutsche Zeitung schrieb:

Die große Anzahl von Niederländern, die in diesem Monat ins Krankenhaus kamen, lässt sich auf ein Zugunglück in Bad Zwischenahn zurückführen; allein am Unfalltag wurden 22 Verletzte eingeliefert.

Am 20.11.1944 fuhr ein mit 1.500 niederländischen Arbeitern besetzter Zug im Bahnhof Bad Zwischenahn auf einen dort haltenden Güterzug. Bei diesen Niederländern handelte es sich um „arbeitsvertragsbrüchige Holländer“, die in Begleitung von 28 Wehrmachtsangehörigen aus dem Lager Wezep (Niederlande) nach Kirchweyhe bei Bremen transportiert werden sollten. Nach einem Bericht des Ammerländer Landrats vom 25.11.1944 wurden an der Unglücksstelle 26 Tote „geborgen, 3 weitere verstarben in den Oldenburger Krankenhäusern. Verletzt wurden 67, darunter etwa 30 schwer. Die Toten sind inzwischen, nach Rücksprache mit dem Kreisleiter und der Gestapo, formlos auf dem Friedhof in Zwischenahn beerdigt worden. Die Anzahl der Toten wie Verletzten, die in alle umliegenden Krankenhäuser eingewiesen wurden, differierte aber in den Angaben.

So hatte der Gendarmerieposten in Bad Zwischenahn am Unfalltag die Zahl der Toten bereits mit 28 angegeben, darunter ein Deutscher, der Rangierer des Güterzuges war. Die Zahl der Verletzten war demnach geringer: 26 Schwerverletzte und 22 Leichtverletzte. Nach den Recherchen von Günther Heuzeroth kamen bei diesem Unfall mindestens 31 Niederländer ums Leben. Zwei Unfallopfer, Jakobus Vrijhof, Jg. 1911 und Hubertus de Vries, Jg. 1929 starben im Lazarett.

 

Über diesen Unfall sagt Casper Sla: Das war ein großer Knall. Wir hatten Glück, weil wir hinten saßen, dadurch wurden wir nicht verletzt, aber wir wurden durcheinandergeschüttelt. Wir wussten nicht, was passiert war. Die Türen waren verriegelt. Wir konnten nicht raus. Stundenlang standen wir dort. Wir sahen das Licht der Schneidbrenner und wussten, dass etwas passiert war. Die ersten drei Waggons waren ineinandergeschoben und wir hörten Gewimmer. Die Zugteile, die noch in Ordnung waren, wurden umrangiert und die Fahrt ging weiter. Im Vorbeifahren sahen wir die große Zerstörung der Wagons.

 

Dann ist der Zug weitergefahren nach Lemsförde, zwischen Bremen und Osnabrück.

Dort mussten 300 der Zwangsarbeiter an den Zuggleisen arbeiten, die bombardiert waren. Schlafen konnte man in einem alten Vereinsgebäude

 

Für diese Arbeit hatte man nicht die richtige Kleidung, man bekam zu wenig Nahrung und musste dennoch hart arbeiten.

Dort zu arbeiten war auch nicht ohne Gefahr: Einmal flog ein großer amerikanischer Bomber tief über die Zwangsarbeiter und stürzte im Tal ab.

Auch hörte man die Bombardierungen von Osnabrück und Bremen, weil man sich zwischen beiden Städten befand.

 

Einen Tag vor Weihnachten 1944 wurden Casper Sla und seine Mitreisenden nach Feldkirchen bei München gefahren, um eine neue Bahnlinie anzulegen.

Die Reise dauerte lange: Wir mussten zwei Tage ohne Essen und Trinken und bei einer Temperatur von zwanzig Grad minus im altmodischen Personenzug aushalten. Man fuhr über Aachen, Köln und Stuttgart und Casper Sla sah, dass diese Städte schwer bombardiert waren.

 

Als der Zug in Feldkirchen ankam, standen dort 12 Viehwaggons in einer Reihe. In denen mussten wir schlafen Es stellte sich heraus, dass man mit 30 Leuten in einem Waggon hausen musste. Die Deutschen hatten Pritschen eingebaut. Unten acht, oben sieben Personen rechts und links der Türen. Die Pritschen waren ganz normale Holzbretter, nur mit Stroh bedeckt und dazu bekam man eine dünne Decke. Im Waggon gab es einen kleinen Ofen, den man mit geklauten Kohlen aus einer Lokomotive heizen konnte.

 

Die Zwangsarbeiter mussten eine neue Bahnlinie über 7 Kilometer Länge von Feldkirchen über Vaterstetten nach Zorneding bauen. Es sollte ein Zwischenstück gebaut werden, und daß alles bei einer Temperatur von minus 25 Grad! Man arbeitete von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends, auch bei Dunkelheit.

 

Man musste Schienen und Schwellen schleppen. Die Schwellen niederlegen, Eisenstangen darüberlegen, anschrauben und von unten mit Kies auffüllen. Es war eine schwere Arbeit ohne ausreichendes Essen. Casper Sla sagt: „Wenn wir Durst hatten, nahmen wir eine Handvoll Schnee“.

Die Rationen für die Zwangsarbeiter waren: abends, wenn man nachhause kam, gab es in einem grauen Schüsselchen, sie nannten es Suppe, war aber ein blaues Wässerchen mit Gerste. Und das war es dann auch. Alle 10 Tage bekam man ein Brot.

 

Casper Sla erzählt: Später kamen noch etwa 30 Polen zum Arbeiten dazu. Auch sie wurden in den Wagons untergebracht, um an der Bahnlinie zu arbeiten. Der Bau geriet natürlich unter Zeitnot, es ging nicht schnell genug, denn wir waren durch die schlechte Ernährung natürlich geschwächt.

 

Dann haben sie beschlossen, auf der anderen Seite von Zorneding her auch anzufangen und so aufeinander hin zu arbeiten. Das bedeutete, dass die Menschen, die in Zorneding arbeiteten, sich erst sieben Kilometer durch den Schnee durchkämpfen mussten, und waren dadurch natürlich viel länger unterwegs, und auch später zurück als die Gruppe, die von 6 bis 18 Uhr in Feldkirchen arbeitete.

 

Wir hatten keine Toilette und keine Gelegenheit, uns zu waschen. Es gab nur einen Wasserhahn, der immer eingefroren war. Innerhalb kürzester Zeit hatten wir Läuse und Pusteln.

 

Manche Zwangsarbeiter versuchten bei den lokalen Bauern für ein bisschen Arbeit oder Holzhacken ein Brot zu bekommen.


                                        Vorläufiger Ausweis von Albert (Bep) Jansen, einem der zwei Freunde von Casper Sla.

Links oben schreibt Casper, dass er auch solch einen Ausweis hatte, aber dass er „verschwunden“ ist.




Casper Sla sagt über die Männer, die Sie bewachten:

Es gab einen, Rupert hieß er, ungefähr 60 Jahre alt mit einer Pfeife. Man kannte sie ja schon, die Bayern. Rupert war unglaublich hässlich. Noch einer, Herr Meier kam von der Ostfront und hatte nur einen Arm. Beide Männer trugen einen Revolver. Sie haben nie direkt auf uns gezielt aber über unsere Köpfe geschossen als wir zum Betteln gingen. Geschlagen wurden wir aber niemals. Das Regime aber war sehr streng. Obwohl man schon sehr hart arbeitete, konnte es geschehen, dass wir noch Extra-Aufgaben bekamen, wenn man nicht vollständig den Anforderungen nach, gearbeitet hatte.

 

Es gab sogenannte „Schwere Arbeitskarten“.

 

Mit diesen Karten bekam man extra Marken, um Essen zu kaufen.

Diese Karten bekamen wir aber nie, sagt Casper Sla, weil wir die Deutschen ärgerten: wir waren ja erst 17, 18 Jahre alt.

 

Später, Ende März 1945, wurden auch noch Waggonladungen mit Juden aus Dachau nach Feldkirchen gebracht, um dort zu arbeiten, weil die Arbeit an der Bahnlinie, und alles was dazu gehört, zu langsam ging. Diese Menschen arbeiteten aber nicht direkt an der Bahnlinie, sondern sie machten Gräben für Telefonkabel.

 

Casper Sla erzählte, dass das Schwerstarbeit war, und das konnte nach Meinung der Bewacher nicht schnell genug gehen.

 

Diese Arbeiter waren Männer und Frauen aus allen Altersklassen: ab zwanzig Jahre bis sechzig und auch siebzig Jahre alt. Das wusste Casper Sla aber nicht mehr genau, weil diese Leute schrecklich im Gesicht alterten, da sie nichts zu essen bekamen.

 

Unter diesen Juden befanden sich auch Niederländer, mit denen Casper Sla gesprochen hat.

Die Juden wurden von den „Kapos“ auch geschlagen. „Kapos“ waren die Aufseher, die auf die Zwangsarbeiter und Häftlinge aufpassten. „Kapos“ waren eigentlich auch Gefangene. Sie hatten ein paar Privilegien, aber dafür mussten sie sehr streng gegenüber den Arbeitern auftreten, für die sie die Verantwortung hatten. Die „Kapos“ waren selbst keine Juden.

 

Die Juden durften sich nicht mit den holländischen Zwangsarbeitern unterhalten.

 

Casper Sla sagte, dass er manchmal ein paar Worte mit denen wechseln konnte aus einer Entfernung von einigen Metern. Meistens waren die Leute aus Dachau sehr ängstlich und wagten es nicht mit uns zu reden.

Er sprach mal kurz mit einem Pianisten aus Tschechien, der dort auch arbeiten musste. Höchstwahrscheinlich handelte es sich hier um den Pianist Karel Reiner aus Tschechien (1910-1979), der zusammen mit seiner Frau, die KZ Theresienstadt, Auschwitz und Dachau überlebte.

 

 

 

Wie hungrig die Juden waren, sahen die Niederländer, als sie aus Mitleid ihnen ein Stück Brot zugeschmissen haben. Die armen Leute schlugen sich fast gegenseitig den Schädel ein, um das Stück Brot zu greifen.

 

Die Insassen vom Konzentrationslager sprachen nicht über das Leben dort.

Dass es dort sehr schlimm sein musste, hatte er schon begriffen.

 

Erst nach dem Krieg hörte Casper Sla, was dort alles geschehen war.

 

Er erzählte, dass es manchmal einen Juden gab, der nicht mehr weiterarbeiten konnte und der blieb dann im Schnee liegen.

 

„Abends, wenn die Arbeit fertig war und sie weggehen sollten, kamen vier jüdische Männer,

die den Befehl erhielten die geschwächte Person zu tragen. Zwei jeweils für die Beine und Arme. Sie mussten auch in den Waggon einsteigen und mit Ihnen nach Dachau fahren. Man wurde nicht liegen gelassen, sondern wurde mitgenommen. Ich habe auch gesehen, dass die Menschen, die einen arbeitsunfähigen Mann tragen mussten, selbst zu schwach waren und ihn dann fallen ließen. Dann wurden sie vom Kapo beschimpft und sie bekamen den Befehl, diesen Mann tot zu treten.



 

Die Befreiung



Als Casper Sla gefragt wurde, ob er etwas über die Befreiung von den Amerikanern erzählen kann, sagt er: „Während mehrerer Tage hörten wir Trommelfeuer über Feldkirchen. Die Amerikaner gegen die Deutschen. Am 1. Mai, ich werde es nie vergessen, sahen wir amerikanische Panzer unaufhaltsam in Richtung Feldkirchen fahren. Das wussten die Deutschen und deshalb verschwanden sie”.

 

Die Gruppe der Niederländer und die Gruppe aus Dachau wurden ihrem Schicksal überlassen. Auch die „Kapos“ waren verschwunden. Einen Tag vor der Befreiung waren die alle schon verschwunden und keiner hat sie je noch gesehen.

 

Von diesem Moment an hörten die Zwangsarbeiter auf zu arbeiten.

Casper erzählt: „Wir arbeiteten im Auftrag der Firma Braun in München. Die haben bestimmt sehr viel verdient an dieser Bahnlinie. Die jüdischen Menschen

bekamen nichts. Wir bekamen ab und zu Gutscheine und ein wenig Geld. Die jüdischen Menschen bekamen nur Schläge. Als die Deutschen und die Kapos verschwunden waren, gerieten die Zwangsarbeiter in eine ausgelasse Stimmung. Ja, wir waren unglaublich glücklich. Die andere Seite war, dass es Geschichten gab, über die man eigentlich nicht glücklich sein konnte. Dies stellte sich heraus, als ich mich mit den jüdischen Menschen unterhielt”.

 

Er hörte von den KZ-Häftlingen die Geschichte über die Gaskammern und über Zyklon B. Dass das alles im Konzentrationslager geschah, wusste er nicht. Wohl wusste er aber, dass dort Menschen verbrannt wurden, denn als einmal entdeckt worden war, dass er und seine Freunde bei irgendeinem Bauernhof um Brot bettelten, erzählte ein SS-Mann, dass sie schnell verschwinden sollten, bevor sie auch in den Schornstein gesteckt würden.

 

Er sprach bei der Befreiung mit mehreren Juden aus Dachau. Darunter war auch ein, in jener Zeit bekannter, jüdischer Boxer aus Rotterdam: Leen Sanders.

 

Die Juden aus dem Konzentrationslager und die Holländer wurden untergebracht bei der

UNRRA.

 

Diese Nothilfe- und Wiederaufbauverwaltung der Vereinten Nationen, kurz UNRRA genannt, vom englischen „United Nation Relief and Rehabilitation Administration“ war eine Hilfsorganisation, die bereits während des Zweiten Weltkrieges am 9. November 1943 auf Initiative der USA, der Sowjetunion, Großbritanniens und Chinas gegründet wurde.

 

Nach Kriegsende wurde sie von der UNO übernommen.

 

Casper Sla erzählt, dass die UNRRA sich in einem ganz großen Gebäude der

NSDAP befand mit ringsherum Wohnungen. Dann sagt er: Die Wohnungen wurden von Nazis bewohnt. Sie mussten die Wohnungen verlassen, damit wir einziehen konnten. Nach der Befreiung arbeitete ich und meine Freunde bei der UNRRA. Einer war im Bereich der Desinfektion tätig, ein anderer in der Küche. Dort begegnete ich auch 3 jüdischen Mädchen. Auch sie erzählten Geschichten. Sie kamen zwar nicht aus Dachau, aber sie erzählten, dass sie in einer Munitionsfabrik arbeiten mussten.

Ich erinnere mich noch an den Namen. Es gab eine Frau: Frida Goldstein aus Bratislava, die zwei jüngere Schwestern hatte: Dora und Ester.

(Anmerkung des Autors: die Mädchen sind um 1947 nach Amerika ausgewandert und ich habe deren Nachwuchs in Brooklyn gefunden).

 

Casper Sla sagte, dass er mit vielen Leuten gesprochen hat: „natürlich auch, weil wir zuständig waren für die Essensausgaben im Speisesaal der UNRRA. Dort gab es viele Menschen aus Dachau und auch einige, die kontrollierten, dass sich diese Menschen nicht zu Tode aßen. Sie bekamen auf einmal so viel Nahrung, dass die Gefahr des zu viel Essens gegeben war.

 

Er erinnert sich, dass die meisten noch immer den Streifenanzug trugen, weil neue Kleidung nicht vorrätig war. Wir selbst hatten auch nicht viel. Das Gebäude der NSDAP war voller Kleidung. Eines Tages trug ich ein SS-Hemd, so was Braunes und eine Reiterhose. Alles neu, dann hatten wir schon Kleidung. Die erste Priorität war die Unterkunft und das Essen.

 

Für eine lange Zeit haben die Eltern von Casper Sla nicht gewusst, was ihrem Sohn passiert war. Als er aber eines Tages nicht weiterarbeiten konnte, weil seine Holzschuhe kaputt waren, hat er eine Genehmigung erhalten, um mit dem Zug nach München zu fahren, um dort neue Holzschuhe zu kaufen. Während dieser „Ausflucht“ begegnete er, mitten in der Stadt einer Krankenschwester, die ihm ein hartgekochtes Ei gab. Casper Sla erzählte ihr, dass zu Hause niemand wusste, wo er war. Dann hat sie dafür gesorgt, dass er einen Brief über die deutsche Feldpost nach Hause schicken konnte.

 

Am Ende überlebten alle Menschen aus der Gruppe, zu der Casper Sla gehörte, den Krieg.

 



Sla Casper
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